Wie kann die Lehre reagieren?
Auf dieser Seite geben wir Ihnen verschiedene Anhaltspunkte, wie Sie als Lehrende auf die aktuellen Entwicklungen rund um generative KI-Tools reagieren können. Konkret geben wir Ihnen praxistaugliche Tipps, wie Sie Regeln zur Nutzung von KI-Tools aufstellen, bestehende Lehr-/Lernsettings anpassen und neue zur Schulung von KI-Kompetenzen integrieren können.
Zudem können Sie sich auf unserem Portal hier zum Thema Prüfen und Bewerten im KI-Zeitalter informieren.
Regeln zur Nutzung von KI-Tools aufstellen
Seit der Veröffentlichung von ChatGPT im November 2022 ist die Aufmerksamkeit für generative KI-Tools und Nutzungsmöglichkeiten im Kontext von Studium und Lehre signifikant gestiegen. Damit einhergehend stellt sich aktuell die Frage, ob und inwiefern der Einsatz von KI-basierten Tools bei der Bearbeitung von Aufgaben im Studium und der Erstellung von Prüfungsleistungen wie Hausarbeiten oder Referaten erlaubt ist bzw. sein sollte oder nicht.
Grundsätzlich gilt: Die Entscheidung über den Einsatz von KI-basierten Tools im Studium obliegt den Lehrenden, Fächern und Fachbereichen – Studierende müssen sich nach den jeweiligen Vorgaben richten.
Hintergrund: Warum ist es wichtig, Regeln zur Nutzung von KI-Tools aufstellen?
In einer Kurzstudie der Hochschule Darmstadt, an der sich im Juni 2023 deutschlandweit über 6.300 Studierende beteiligten, gaben rund zwei Drittel der Befragten an, KI-basierte Tools im Studium zu verwenden. Demnach ist davon auszugehen, dass es unter den Teilnehmenden von Lehrveranstaltungen einerseits Studierende gibt, die KI-Tools nutzen, und andererseits solche, die dies nicht tun.
Angesichts dieser Situation gilt es, wieder gleiche Voraussetzungen zu schaffen und damit Chancengleichheit herzustellen – das können Sie erreichen, indem Sie „Rules for Tools“ definieren, auf diese Weise Unklarheiten ausräumen und Transparenz darüber schaffen, was in Ihrer Lehrveranstaltung erlaubt ist, was verboten ist und welche Regeln es gibt.
Empfehlungen zur Formulierung von Umgangsregeln
Bei der Auseinandersetzung mit der Frage, welche Regeln im Umgang mit KI-basierten Werkzeugen gelten sollen, stellen sich viele Lehrenden grundlegende Anschlussfragen:
Welche Tools sind überhaupt KI-basiert, welche sind nicht?
Da es keine allgemein anerkannte Definition des Begriffs „Künstliche Intelligenz“ gibt, kann diese Frage nicht eindeutig beantwortet werden. Zusätzlich ist zu bedenken, dass über kurz oder lang nahezu alle gängigen Anwendungen KI-unterstützt sein werden (bspw. ist in Microsoft 365 bereits ein KI-Copilot für Word & Co. verfügbar) – es wird also kaum noch Werkzeuge und Tools geben, die nicht in irgendeiner Weise mit KI arbeiten.
Zu welchen Tools sollte ich Regeln aufstellen?
Grundsätzlich empfehlen wir, dass sich Lehrende und Fächer in jedem Fall in Bezug auf den Einsatz von generativen KI-Tools sowie von Werkzeugen, die ebenfalls auf neuronalen Netzen basieren, positionieren. Studierende sollten sich in Zweifelsfällen aktiv erkundigen. Die nachfolgende Tabelle (Stand: Juni 2024) soll Ihnen anhand von Beispielen Anhaltspunkte für die Entscheidungsfindung bieten.
Zusätzlich erscheint es sinnvoll, dass sich Lehrende bzw. Fächer und Fachbereiche einen Überblick darüber verschaffen, welche Tools zur Bearbeitung von Aufgaben im eigenen Fachgebiet darüber hinaus genutzt werden könnten – und dann entscheiden, ob diese erlaubt sind oder nicht.
generative KI-Tools | auch auf neuronalen Netzen basierend | |||
---|---|---|---|---|
Textgenerierende Modelle | Bildgenerierende Modelle | Videogenerierende Modelle | Modelle für das wiss. Arbeiten | Schreibassistenz-Systeme |
– ChatGPT – Gemini – ollama – … | – DALL-E – Midjourney – Stable Diffusion – … | – Luma AI – Sora – … | – Connected Papers – Elicit – Gamma App – … | – DeepL Translate – DeepL Write – Grammarly – Quillbot – Microsoft-Editor – … |
Inspiration und Leitfragen zur Formulierung von “Rules for Tools”
Einen Eindruck davon, wie entsprechende Richtlinien aussehen könnten, erhalten Sie in diesem Dokument von Prof. Dr. Christian Spannagel, der seine eigenen „Rules for Tools“ frei lizensiert zur Verfügung stellt, sodass auch andere Lehrende diese Leitlinien übernehmen können.
Falls diese Regeln für Ihren Kontext unpassend sind und Sie eigene aufstellen möchten, können Sie sich an folgenden Leitfragen orientieren:
- Möchten Sie KI-Tools in Ihrem Kurs zulassen? Wenn ja, welche und unter welchen Umständen? Warum oder warum nicht?
- Was macht den “angemessenen” Einsatz dieser Werkzeuge in Ihrer Lehrveranstaltung aus? Warum?
- Ist KI-generierte Sprache oder Code in Ihrem Kurs akzeptabel? Ab welchem Punkt würden Sie eine KI-gestützte Leistung nicht mehr als Eigenleistung akzeptieren?
- Ist ein KI-System als “Diskussionspartner” in Ihrem Kurs erlaubt? Welche Art von Unterstützung ist in Ordnung und für welche Aufgaben? Wo hört Inspiration auf und wo fängt Abschreiben an?
- Wozu verpflichten Sie Studierende, wenn Sie KI-Tools nutzen? (z.B. Überprüfung des KI-Outputs, Angabe von Prompts, usw.)
Bestehende Lehr-/Lernsettings ‘an eine Welt mit KI’ anpassen
Fest steht: Generative KI-Tools können bei der Bearbeitung von vielen typischen Lern- und Prüfungsaufgaben im Studium genutzt werden. Daher möchten wir Ihnen ans Herz legen, Ihr Lehrveranstaltungskonzept unter die Lupe zu nehmen:
- Lernziele: Welche Kompetenzen sollen die Studierenden erwerben?
- Lehr-/Lernsettings: Wie sind diese aufgebaut? Welche Lernaufgaben gebe ich Studierenden?
- Prüfungen: Wie prüfe ich, ob die Kompetenzen erreicht wurden?
Um nun ein Gefühl dafür zu bekommen, welche Auswirkungen KI-Tools auf die Konzeption Ihrer Lehrveranstaltung haben, hier ein praktischer und einfach umsetzbarer Tipp: Geben Sie typische Lern-/Prüfungsaufgaben in ein KI-Tool (z.B. kiwi) ein und schauen Sie, was dabei rauskommt – würde die KI-Antwort zum Bestehen ausreichen oder ist sie ungenügend?
Bei den Lern-/Prüfungsaufgaben, bei denen Ihnen der KI-Output ausreichend erscheint, ist eine Adaption des Lehr-/Lernsettings ratsam – hierzu ein Beispiel:
- Ausgangslage: Ein Lernziel Ihrer Veranstaltung besteht darin, dass die Studierenden einen grundlegenden Begriff aus Ihrem Fachgebiet definieren können. Hierzu geben Sie den Studierenden die Hausaufgabe, einen Sekundärtext zu lesen, in dem der Begriff diskutiert wird, und anschließend in eigenen Worten zusammenzufassen, was der Begriff meint.
- KI-Tool-Test: Wenn Sie ein KI-Tool dazu auffordern, den entsprechenden Begriff zu definieren, dann werden Sie vermutlich feststellen, dass es ein passables Ergebnisse liefert – Sie werden die Aufgabe also anpassen wollen.
- Anpassung: Eine Möglichkeit wäre, dass Sie den Bearbeitungsort verlagern, sodass die Studierenden die Aufgabe nicht mehr zu Hause, sondern vor Ort bearbeiten. Eine weitere Option besteht darin, dass Sie den Studierenden nach wie vor die Aufgabe geben, den Sekundärtext zu lesen. Zusätzlich geben Sie ihnen zur Lektüre eine KI-generierte Definition des Begriffs, die inhaltlich unvollständig ist, und fordern sie dazu auf, unter Verweis auf den Sekundärtext aufzuzeigen, inwiefern die KI-Definition unvollständig ist.
In dieser Handreichung finden Sie Anregungen zur Anpassung von unterschiedlichen Lehr-/Lernsettings.
KI-Tools in die Lehre integrieren
Bevor Sie in Ihrer Lehrveranstaltung mit den Studierenden KI-Tools nutzen, informieren Sie sich über die geltenden Datenschutzbestimmungen.
Wenn Sie sich dafür entschieden haben, KI-Tools in Ihre Lehrveranstaltung zu integrieren, sollten Sie mit Ihren Studierenden besprechen, welche Kriterien Sie und Ihre Lerngruppe nutzen werden, um die Ergebnisse der generativen KI zu bewerten, einzuordnen und zu hinterfragen. Es hilft, Ihren Studierenden einen klaren Rahmen zu geben, innerhalb dessen Sie mit KI Ergebnisse produzieren können oder sollen und zu kommunizieren, welche Erwartungen Sie an die Präsentation, den Umgang und die Reflexion der Ergebnisse durch die Studierenden haben. Thematisieren Sie mit Ihren Studierenden, dass KI alle Biases (Vorurteile, Verzerrungen), die ihre Trainingsdaten enthalten, reproduzieren. Mehr dazu hier.
Dr. Anna Faust zeigt in Ihrem Blogbeitrag im Hochschulforum Digitalisierung, mit vier Schritten wie sich Lehrende ohne KI-Expertise den KI-Technologien annähern können, um sie in ihren Kursen und Veranstaltungen sinnvoll einzusetzen.
- Die eigene Lehrveranstaltung mit Fokus auf Lerninhalte und Kompetenzen betrachten: Welche Lernergebnisse und Lernziele werden angestrebt und welche Kompetenzen werden vermittelt?
- Relevante KI-Tools identifizieren: Nicht alle KI-Tools sind relevant, deshalb hilft die Frage “Inwiefern kann das KI-Tool die Aneignung von Kompetenzen und Erreichen von Ergebnissen beeinflussen?” Was sind die Grenzen des KI-Tools und was sind die Erwartungen an das Tool?
- In welchen Abschnitten der Veranstaltung lohnt es sich, neben den Lernzielen auch zusätzliche KI-Kompetenzen aufzubauen?
- Integration der KI – didaktische Überlegungen: Hier durchdenken Sie den Einsatz des KI Tools didaktisch.
- Wie ändert sich Ihre Rolle als Lehrende:r durch den Einsatz neuer KI- Methoden?
- Geben Sie klare Regeln für den Einsatz von KI vor. Ein kurzer Blick in den verlinkten Blogartikel gibt Ihnen hierzu eine erste Orientierung.
- Passen Sie Ihre Aufgabenstellungen an. Hier lohnt es sich, sich an den komplexeren Dimensionen von Verstehen nach Blooms Taxonomy zu orientieren.
Zum Umgang mit textbasierten generativen KI-Tools
Die Nutzung von KI-Anwendungen in der Lehre eröffnet neue Möglichkeiten, wissenschaftliches Arbeiten zu trainieren und zu erlernen, da diese anders als wir Menschen, kein integratives Verständnis von inhaltlichen Konzepten hat und zu bestimmten mentalen Operationen (noch) nicht fähig ist.
So kann z.B. ChatGPT, das Sie mit kiwi direkt über die UOS nutzen können, nicht „denken“, „lesen“ oder „rechnen“. Es hat keine Vorstellung davon was eine Tasse ist und dass eine Tasse zerbrechen kann, wenn sie herunterfällt.
Wenn Sie also textbasierte generative KI als Methode nutzen wollen, um wissenschaftliches Arbeiten, Schreiben und kritisches Hinterfragen zu üben, geben Sie Ihren Studierenden Leitfragen an die Hand, die sie bei der Auswahl der passenden KI begleiten, die ihnen helfen, die Ergebnisse einzuordnen und diskutieren Sie Ergebnisse und stellen Sie z.B. mit Ihren Studierenden einen Vergleich von eigenen Arbeitsergebnissen nach gängiger wissenschaftlicher Praxis mit KI-generierten Ergebnissen an. Wo sehen Sie und Ihre Studierenden Schwächen und Stärken? Was scheint plausibel? Wie können wir es überprüfen? Warum sollten wir die Ergebnisse überprüfen?
Die Universität Mannheim hat zum Gebrauch von ChatGPT im Studium einen knappen und pointierten Leitfaden erstellt, der Ihnen hilft, KI als Methode kritisch einzuordnen und in Ihre Lehre zu integrieren. Sie finden dort Hinweise
- zu Aufgaben, für die eine generative Text-KI eine sinnvolle Arbeitserleichterung sein kann
- zum zielführenden und verantwortungsbewussten Umgang mit ChatGPT
- zur Prüfung der Ergebnisse hinsichtlich des Inhalts, der Perspektive und der Passung
- zur Einbettung von Ergebnissen von ChatGPT
- zur „Verschlimmbesserung“ von Ergebnissen, die mit einer KI generiert wurden.
Lehr-/Lernszenarien: Mit generativer KI Inhalte erstellen – und sie selbst prüfen
Hier möchten wir Ihnen ein paar Ideen geben, wie Sie mit KI-generierten Inhalten in Ihrem Seminar umgehen. Sie können sich darauf einstellen, dass Ihre Studierende KI nutzen werden, gehen Sie diesen neuen Weg, sich Wissen anzueignen oder Inhalte zu prüfen, also proaktiv und gemeinsam mit Ihren Studierenden an. Je besser Sie sie begleiten, desto mehr können Sie Ihren Studierenden den kritischen Umgang mit KI zeigen.
- Lassen Sie Studierende Inhalte zu einem Thema mit KI generieren und bitten Sie sie, diese Inhalte kritisch und transparent zu prüfen. Über eine Dokumentation dieser Prüfung sollen Sie nachvollziehen können, was wie und warum überprüft wurde. Es bietet sich an, sich zwischendurch in Reflexionsgruppen zu treffen, und mittels Protokoll festzuhalten, was den Studierenden in der Arbeit mit KI aufgefallen ist, was sie anders als die KI gemacht hätten, aber auch, inwiefern KI vielleicht auch eine hilfreiche Unterstützung sein kann. Basierend auf den Reflexionsprotokollen können Sie ggf. intervenieren und den Studierenden hilfreiche Tipps an die Hand geben oder ihre Herangehensweise kritisch hinterfragen und sie so auf Schwachstellen aufmerksam machen.
- Mit dieser Aufgabe können Ihre Studierenden erleben, dass, je weniger man sich mit einem Thema auskennt, desto weniger man die Fehler der KI erkennt. Und je “besser” die Antworten formuliert sind, desto schwerer wird es, zu erkennen, ob die Antworten inhaltlich Sinn machen. Das können Sie sich zu nutze machen! Darüber hinaus, zeigt diese Aufgabe deutlich, dass man nur erkennt, wo die KI sich über die Quelle hinaus bewegt, wenn man sich mit der Quelle auskennt und wenn man weiß was stimmt und was nicht. Stellen Sie einen Text/ eine PDF zu Verfügung, welches die Studierenden mittels ChatPDF lernen sollen. Dabei können sie sich Zusammenfassungen, Prüfungsfragen, Multiple Choice Fragen generieren lassen, oder inhaltliche Konzepte erläutern lassen. Vielleicht möchten SIe sogar einen Test zu den Inhalten dieses Dokuments schreiben lassen (den Sie jedoch nciht bewerten, da es hier mehr um den kritischen und ernsthaften Umgang mit KI geht).
- Sie können sogar in Erwägung ziehen, die KI-Richtlinien für Ihre Lehrveranstaltung gemeinsam mit den Studierenden zu verfassen oder zu überarbeiten.
Also, machen Sie das Beste daraus, dass Studierende generative KI für ihre Abgaben nutzen!